Pride-Month: Erinnerungskultur mal anders

 

„Auch das kulturell Sichtbar-Werden der Differenz ist ein Akt der Gleichberechtigung: Die unsichtbar Gemachten realisieren gleiches Recht im Hinblick auf Repräsentiert-Sein, Wertgeschätzt-Sein und nicht mehr Diskriminiert-Sein in kulturellen Symbolsystemen. Zukunftsperspektiven bleiben dabei offen für die Freiheiten der Einzelnen und der Gemeinschaften, in denen sie sich zusammenfinden.“ Annedore Prengel. Auf dem Bild zu sehen: Max von Theben und Emanuel Kasprowicz. Seit Jahren setzen sich die Mitglieder von Projekt Randerscheinungen für Menschenrechte und kulturellem und öffentlichem Sichtbarwerden der queeren Community in Landsberg ein.

 

Heute als Person aus der „queeren“ Community in einem Land wie Deutschland „frei“ oder „gleicher“ als Menschen der heterosexuellen Mehrheitskultur leben zu  können ist ein hart umkämpftes Recht, das keineswegs selbstverständlich ist. Wir erinnern uns im Pride-Monat an diese Zeit und Gedenken auch den Opfern der LGBTQI-Community, die damals in Deutschland nicht frei leben konnten. Menschen wurden aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität ausgegrenzt, verfolgt und ermordert. Aber auch heute ist es in 71 Ländern illegal, LGBT(QI) zu sein und in einigen davon gibt es noch sogar noch heute die Todesstrafe für derartige Abweichungen von der Heteronormativität. Wir setzen uns für Menschenrechte in Landsberg am Lech ein und feiern 2020 Vielfalt, Integration und Verantwortung. Aber auch heute wird diese Freiheit von einigen Strömungen und von Gedankengut bedroht.

 

Wir sollten eine queere Erinnerungskultur wahren

Erst am 30. Juli 2017 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz „Ehe für alle“, mit dem die gesetzliche Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Paare endgültig abgeschafft wurde. Es bildet den Schlusspunkt einer Diskriminierungs- und Verfolgungsgeschichte, die im Jahr 1871 mit der Einführung eines Gesetzes begann, das Homosexualität unter Strafe stellte und das mit der Verfolgung und Ermordung homosexueller Männer in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur einen schrecklichen Höhepunkt erreichte. Im Jahr 1935 wurde das Gesetz verschärft und 1936 entstand die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“, die sich im Besonderen der Verfolgung homosexueller Männer widmete. Nach Massenverhaftungen und Verurteilungen wurden etwa 5000 bis 15000 homosexuelle Männer in nationalsozialistische Konzentrationslager verschleppt, wo ein großer Teil von ihnen – Schätzungen gehe von 53 Prozent aus – zu Tode kam.
Auch im Konzentrationslager Dachau und vermutlich in seinem größten Außenlager in  Landsberg am Lech . Wir wissen es nicht genau – werden aber einmal recherchieren.


Wie in den anderen Konzentrationslagern waren sie von Anfang an dem besonderen Hass der SS-Bewacher ausgesetzt. Sie wurden erniedrigt, gequält und schikaniert und oftmals in besonders schweren Arbeitskommandos geschunden. Ab dem Jahr 1938 wurden sie mit einem rosa Stoffdreieck an der Häftlingskleidung, dem „rosa Winkel“ gekennzeichnet. Zumeist wurden sie auch von den anderen Häftlingen geächtet. Wie viele Häftlinge mit dem rosa Winkel im KZ Dachau für Sterilisationen und Kastrationen ausgewählt wurden ist nicht bekannt. Zum Zeitpunkt der Befreiung waren 143 homosexuelle Häftlinge in Dachau und seinen Außenlagern registriert, 103 Todesfälle sind nachweisbar.


Die Überlebenden der wegen Homosexualität Verfolgten waren nach dem Krieg weiterhin kriminalisiert und gesellschaftlich ausgegrenzt. Sie wurden weder als Verfolgte anerkannt noch hatten sie Anspruch auf Entschädigung für erlittenes Unrecht. Es dauerte ein halbes Jahrhundert bis im Jahr 1995 das Gesetz mit dem Homosexualität unter Strafe gestellt wurde, endgültig verschwunden war. Und es waren auch nicht die Überlebenden selbst, sondern Homosexuelle nachfolgender Generationen, die sich zu Beginn der 1980er Jahre öffentlich zu Wort meldeten. Sie forderten die Erforschung der Verfolgungsgeschichte und die Einbeziehung dieser Opfergruppe in Ausstellungen und Vermittlungsarbeit der Gedenkstätten. Aber nicht nur die Mehrheitsgesellschaft tat sich lange Zeit schwer mit der Anerkennung der Verfolgtengruppe der Homosexuellen, ehemals politisch Verfolgte wollten auch nach der Befreiung lange keine Gemeinsamkeit mit ihren homosexuellen Leidensgenossen. So erteilte das Comité International de Dachau ebenfalls erst im Jahr 1995 eine Genehmigung für die Anbringung einer Gedenktafel zur Erinnerung an homosexuelle Opfer in den Räumen der KZ-Gedenkstätte Dachau. Genau aus diesem Grund finden wir es wichtig uns zu erinnern – dass es nicht selbstverständlich ist, in seiner Vielfalt anerkannt zu werden (selbst wenn es um die Anerkennung der Verbrechen an Menschen im zweiten Weltkrieges geht).